07.06.2024
Evangelisch-methodistische KircheGottes Nähe aufsaugen
Vom 6. bis 9. Juni tagt die Ostdeutsche Jährliche Konferenz, das Kirchenparlament für die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) im Osten Deutschlands. Der Tagungsort ist der Erzgebirgsort Aue in Sachsen.
Gottes Nähe bewirkt keine Allergie, sondern erfüllt mit neuer Kraft
Es war noch nicht viel passiert, da passierte im Eröffnungsgottesdienst der Konferenz schon das erste Malheur. Nach dem Orgelvorspiel kam Unruhe auf, weil niemand zu sehen war. Eigentlich wussten alle, was jetzt hätte zügig folgen müssen: eine nette Begrüßung. Stattdessen kamen endlich zwei Personen angerannt: Petra Iffland, Gemeindereferentin in Aue, und David Melle, Gemeindepädagoge im etwas nördlich von Aue gelegenen Lößnitz, eröffneten ganz außer Puste den Gottesdienst. Um die Zeit aufzuholen, wurde die Gemeinde durch das Lied »Kommt atmet auf, ihr sollt leben« geradezu gejagt, bis es zum Abbruch kam. Erst jetzt kam der Gottesdienst zur Ruhe. Es gehe nicht an, schneller zu singen, um mehr Zeit für Sitzungen zu haben, betonte Michael Kropff, der im gut zehn Kilometer nordöstlich von Aue gelegenen Zwönitz als Pastor den dortigen Gemeindebezirk leitet. Innerhalb weniger Minuten erlebte die Konferenzgemeinde auf diese Weise, was es mit dem Konferenzthema »Aufatmen« auf sich haben könnte.
Harald Rückert, der für Deutschland und damit auch für die Ostdeutsche Jährliche Konferenz zuständige Bischof der EmK, nahm diesen Auftakt in seinem Impuls auf und verband ihn mit seiner jahreszeitlichen gesundheitlichen Einschränkung: Der ihn plagende Heuschnupfen verhindere bei ihm ein entspanntes Aufatmen. Atemlosigkeit sei aber vor allem ein allgemeines Merkmal »unserer Zeit«, aber auch »unserer Kirche«. Vieles, was »eingeatmet« werde, würde nicht zur Ruhe kommen lassen. Das im Konferenzmotto betonte Aufatmen beginne deshalb, so Rückert, mit Ausatmen. Beim dann folgenden Einatmen komme es darauf an, »was wir einatmen«. Rückert vermerkte, »dass wir zu oft Misstrauen, Angst und negative Gefühle einatmen«. Deshalb solle die Konferenztagung eine Zeit sein, »in der wir nicht atemlos durch das Programm jagen, sondern Zeit haben, innezuhalten, um Frische und Leben einzuatmen«. Dazu gehöre es, »sich Zeit zu nehmen, um auf verschiedene Sichtweisen zu achten, Zeit zum Warten, zum Beten, zum Aushalten von Dingen, die wir nicht im Griff haben«. Der Mensch sei atemlos, weil er verlernt habe, auf Gottes Nähe zu achten. Diese Achtsamkeit auf Gott wünschte der Bischof den Konferenzmitgliedern für die Zeit der Tagung. Denn, so Rückert: »Gottes Nähe aufzusaugen, führt zu keiner Allergie, sondern erfüllt mit neuer Kraft.«
Zielbeschreibung für einen Weg in die Zukunft
Mit dem Bericht der beiden Superintendenten startete die Konferenz in ihre erste Plenumssitzung. Mitja Fritsch, Superintendent für den Distrikt Dresden, und der für den Distrikt Zwickau zuständige Superintendent Werner Philipp wagten mit ihrem Bericht sowohl eine Analyse der derzeitigen Situation als auch eine Zielbeschreibung für den Weg in die Zukunft für die Ostdeutsche Konferenz. Statt als Bezirke und Gemeinden nur nebeneinander zu existieren, beschreiben die beiden Superintendenten eine Bewegung hin zu mehr Kooperation. Damit könnten sich die Gemeinden und Bezirke zu einer nicht nur lokalen, sondern regionalen Identität entwickeln.
In Gesprächsrunden an Tischen tauschten sich die Konferenzmitglieder darüber aus, wie der Gedanke einer »Beteiligungskirche« in den Gemeinden umgesetzt und gelebt werden könne. Außerdem ging es um die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Bezirken in den jeweiligen Regionen gefördert werden könne, und welche konkreten Schritte unternommen werden könnten, um die Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen bis hin zu ökumenischen Beziehungen und gesellschaftlichen Partnerschaften zu verbessern. Mitja Fritsch bekräftigte diese Aussprache mit einem »Doppelpunkt«: »Es geht weiter! Der Weg hin zu einer veränderten Struktur erfordert Gespräch und Miteinander.«
Konferenz verabschiedet Wort an die Gemeinden
Nach kurzer Aussprache verabschiedete die Konferenz mit großer Mehrheit ein Wort an die Gemeinden anlässlich der anstehenden Wahlen im September für die Landtage von Brandenburg, Sachsen und Thüringen. »Angesichts der großen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen ist es unverzichtbar miteinander im Gespräch zu sein«, heißt es darin mit Verweis auf das Jesuswort Salz der Erde und Licht der Welt zu sein (Matthäusevangelium Kapitel 5, Verse 13-16). Im Blick auf Skepsis und Kritik am demokratischen System betont das Wort an die Gemeinden: »Hass gegenüber Menschen, Erniedrigung und persönliche Demontage von Verantwortungsträgern sind mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar.« Angesichts vieler Herausforderungen sei Abgrenzung keine Lösung. »Aus der DDR-Geschichte wissen wir, dass Abschottung, ob nach innen oder außen, auf Dauer keinen Bestand hat. Dass Mauern fallen, ist eine heilsgeschichtliche Erfahrung.«
Mit großer Sorge ist vom »Wiedererstarken längst überwunden geglaubter rassistischer Gedanken und Handlungsmuster in neuen Ausführungen« die Rede. Dabei sehr erschreckend, »dass frühere politische Denkmuster des Nationalsozialismus oder des DDR-Regimes immer mehr Verbreitung finden«. Im Mittelpunkt von Wahlentscheidungen müsse »die unantastbare Würde des Menschen« stehen. »Sie ist nicht nur nach unserem Grundgesetz oberste Richtschnur staatlichen Handelns, sondern auch Ausdruck des christlichen Glaubens, der den Menschen als Ebenbild Gottes versteht.« Deshalb, so heißt es weiter, »sind für uns Christen die AfD und weitere rechtsnationale Parteien nicht wählbar«, weil sie mit ihren Haltungen die Menschenwürde angriffen und »deshalb mit dem christlichen Glauben unvereinbar« seien.
Gleichzeitig lädt »das Wort« zum »ehrliche(n) Gespräch miteinander« ein. Kritik an der Regierung oder der Opposition würden dazugehören. Es brauche aber auch »Demut und Geduld angesichts der komplizierten Herausforderungen unserer Zeit«. Nicht zuletzt gehöre dazu das Gebet, »auf dass wir in Frieden leben können – und unsere Mitmenschen auch«.