Fünfzehntausend Bücher ziehen um

Mit einem festlichen Gottesdienst wurde die Zusammenführung der Bibliotheken des Theologischen Seminars Bad Klosterlausnitz und der Theologischen Hochschule Reutlingen (THR) begangen. Damit erhält die Bibliothek in Reutlingen einen umfangreichen Zuwachs.

Zeiten ändern sich

Wolfgang Ruhnow, letzter Direktor des Theologischen Seminars der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in der DDR in Bad Klosterlausnitz betonte: Es ist ein »sinnvoller Schritt nach der Vereinigung der Ausbildungsstätten, auch die Bibliotheken zu vereinigen und so die ehemalige Bad Klosterlausnitzer Bibliothek davor zu bewahren, ein Denkmal zu werden ohne den Atem des Lebens«. Nach der Vereinigung der Ausbildungsstätten 1991 fand die Bibliothek in den Räumen der Christuskirche in Zwickau-Planitz ihre Bleibe. Als Bibliothek mit einer eigenen Geschichte diente sie Pastorinnen und Pastoren und auch Mitarbeitenden in den Gemeinden für ihre theologische Arbeit. Die Zeiten hätten sich aber geändert, meinte Ruhnow. »Das Internet hat seinen Siegeszug angetreten und manchem scheint es, als seien Bücher überflüssig geworden«, beschrieb der jetzt als Pastor im Ruhestand in Zwickau lebende vormalige Seminardirektor die Situation. »Mit den Jahren wurde es immer schwieriger, die Bibliothek auf neuem Stand zu halten, und die Nutzerzahlen nahmen ab.«

Achthundert Umzugskartons gehen auf die Reise

Erste Überlegungen zu einer Bibliotheksvereinigung wurden schon vor einigen Jahren angestellt. Es gab immer wieder gute Gründe, diesen logistisch nicht ganz einfachen Schritt hinauszuzögern. Fünfzehntausend Bücher benötigen Raum, allein schon für die Sichtung. Die Ergänzung einer Bibliothek, zu einem guten Teil auch mit wichtigen Zweitexemplaren, muss gut überlegt sein. Nun taten sich aber Möglichkeiten für einen gangbaren Weg auf, um die achthundert Umzugskartons in Reutlingen zu empfangen. Unter der Leitung von Stephan von Twardowski, der als Professor für Systematische Theologie an der Theologischen Hochschule Reutlingen lehrt, wird die Zusammenführung nun umgesetzt. 

Bibliothek zum Hinterfragen-Lernen

Im Gottesdienst wurde manche Erinnerung wach. Die Friedliche Revolution 1989 hatte die Vereinigung der Ausbildungsstätten erst möglich gemacht. Die Bad Klosterlausnitzer Bibliothek ist auch ein Zeugnis einschneidender Veränderungen. Bei der Sichtung der Bücher werden in jedem Buch Karteikarten zu finden sein. Auf diesen finden sich die Namen derer, die die Bücher einst ausgeliehen haben. Wenn dafür Zeit wäre, könnten daraus besondere Vorlieben der Studierenden und natürlich auch der damaligen Dozenten abgeleitet werden. Christof Voigt, Rektor der Theologischen Hochschule Reutlingen, sagte in seinem Grußwort: »Die über einige Jahrzehnte gesammelten Bücher zeigen, was in der Welt des theologischen Denkens und des gesellschaftlichen Handelns zu jener Zeit los gewesen sein mag, und sie zeigen, worin das Seminar seinen Arbeitsschwerpunkt gesehen hat für die Reflexion und das Wirken in der Welt.«

Heidrun Hertig, EmK-Pastorin in den Erzgebirgsbezirken Bockau/Albernau und Eibenstock und letzte Studentin, die 1991 von Bad Klosterlausnitz nach Reutlingen wechselte, erinnerte an die besondere Bedeutung der Bibliothek zu DDR-Zeiten: »Durch die DDR-Schulbildung waren wir nicht geübt zu hinterfragen. Die Bibliothek mit ihrer Vielfalt an Sichtweisen und Erfahrungen half uns dabei, dies einzuüben und zu lernen.«

Michael Wetzel, promovierter Historiker und Leiter des Archivs der Ostdeutschen Konferenz der EmK, informierte darüber, dass ein kleiner Teil an Schriften in Zwickau-Planitz verbleibt und ins Archiv der Ostdeutschen Konferenz eingestellt wird. Im Besonderen betreffe das wichtige handschriftliche Zeugnisse der Geschichte des Methodismus in Ostdeutschland.

Eigenständig denken, glauben, lehren und lernen

Auch Werner Philipp, Superintendent für den Distrikt Zwickau, unterstrich den geschichtlichen Aspekt: »Wie gut, dass es seit 1952 auch in der DDR ein theologisches Seminar gab, wo eigenständig gedacht, geglaubt, gelehrt und gelernt wurde.« Besonders die Bibliothek sei als Student für ihn »ein Ort freien und befreiten Denkens – inmitten der ›Wolke der Zeugen‹ (Hebräer 3,1-4)« gewesen. Es habe dort Bücher gegeben, die es in keinem DDR-Buchladen zu kaufen gab. »Und zugleich lehrten mich die vielen Bücher ahnen, wie weit, tief und vielfältig sich menschliches Denken mit der Gottesfrage beschäftigen konnte.« Dabei betonte Philipp, dass die Bibliothek einer theologischen Ausbildungsstätte ein wunderbares Zeugnis der Botschaft von Jesus Christus sei. Eine theologische Bibliothek mache diese Bewegung sinnfällig: »Gott hat Menschen über die Zeiten hinweg befähigt und gesandt, Gottes Wort in ihrem jeweiligen Kontext zu hören, auszulegen und aufzuschreiben, aber es darf nicht in den Regalen stehen bleiben und verstauben.« Gottes Wort müsse, so Philipp weiter, »der kommenden Generation weitergegeben, in andere Kontexte eingebracht werden, damit es dort verkostet werden kann, egal, ob es schmeckt oder nicht.«

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