Ein Angebot, das sich schnell herumspricht

Seit Ende März lädt die offene Stadtteilarbeit auf dem Chemnitzer »Brühl« jeden Mittwoch Geflüchtete aus der Ukraine und deren Gastgeber-Familien ein. Das »Café Ukraine« der unter dem Namen »Inspire« (anregen, inspirieren) firmierenden Arbeit der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) erfreut sich großer Beliebtheit.

Der Treffpunkt spricht sich schnell herum

»Herzlich willkommen. Kann ich ihnen helfen?« begrüßt mich die »Inspire«-Mitarbeiterin Cathleen Nobach freundlich. Gerade hatte ich das »Café Ukraine« betreten. Rund siebzig Personen sitzen in angeregte Gespräche vertieft an den Tischen. Im Stimmengewirr nehme ich Ukrainisch, Englisch und auch die deutsche Sprache wahr. Seit Ende März lädt »Inspire« jeden Mittwoch Geflüchtete aus der Ukraine und deren Gastgeber-Familien ein. Der Treffpunkt hat sich schnell herumgesprochen. Die Leute kommen nicht nur aus Chemnitz, sondern auch aus umliegenden Städten. Sogar aus dem rund 25 Kilometer weiter nördlich gelegenen Mittweida sind Leute da.

»Von Anfang an kamen viele Ukrainerinnen und Ukrainer, darunter auch eine Menge Kinder. Da war es im Raum noch sehr still«, erzählt Gillian Sloan. Inzwischen genießen die Menschen diese Möglichkeit. Bei kostenlosem Kaffee und Kuchen gibt es für die aus der Ukraine Geflüchteten die Gelegenheit, einander zu begegnen und Ukrainisch zu sprechen, heißt es in der digitalen Information zu diesem Angebot. Neben dem Café mit zwanglosem Angebot zur Begegnung wird an zwei Nachmittagen die Tür für Deutschunterricht geöffnet.

Kleines Team mit großer Aufgabe

 »Wir sind ein kleines Team«, erklärt Gillian Sloan. »Die neue Aufgabe ist sehr herausfordernd. Wir freuen uns über jede Unterstützung.« Während sie das sagt, strahlen ihre Augen und erzählen davon, wie erfüllend dieses Projekt ist. Als Pädagogin liegt ihr der Deutschunterricht am Herzen. Aus Nordirland stammend weiß sie, wie es ist, die deutsche Sprache zu erlernen. Es komme jetzt darauf an, schnell das Nötigste zu lernen, um sich gut verständigen zu können. Der Treffpunkt soll auch eine Stelle sein, um weiterführende Hilfe zu erhalten. Neben Hilfe zu den Fragen der Registrierung und sozialer Absicherung wird auch Seelsorge und Gebet angeboten.

Bedrückende Schicksale

Die 31-jährige Maria wird mir vorgestellt. Sie war in der Vergangenheit beruflich in Österreich und auch schon einmal in Deutschland. Seit einer Woche ist sie wieder hier. Zunächst in Nordrhein-Westfalen angekommen, ist sie jetzt bei einer befreundeten Familie in Chemnitz untergekommen. Den Ehemann musste sie in der Ukraine zurücklassen. Maria kommt aus Mykolajiw, einer Stadt in der Südukraine, 130 Kilometer östlich von Odessa und 70 Kilometer nördlich des von russischem Militär besetzten Cherson.

In der Stadt lebten bis zum Krieg 480.000 Einwohner. Die Lage an den Flüssen Bug und Inhul schützte die Stadt bisher vor einem Einmarsch der russischen Armee. Allerdings werde die Stadt täglich mit Raketen beschossen. Ukrainische Soldaten und vor allem Waffen zur Verteidigung gäbe es erst seit kurzer Zeit. »Was in Deutschland im Fernsehen zu sehen ist, sind fünf Prozent von dem, was wirklich passiert«, sagt Maria. Sie schildert eine humanitäre Katastrophe, in der unzählige Zivilisten sterben.

Seit Wochen gebe es kein Wasser. Am Anfang konnten sich die Leute kaum noch Lebensmittel leisten, weil sie so teuer geworden seien. Inzwischen fehle es an allem. Sie erzählt von Diabetikern, denen das Insulin fehle, von Pflegebedürftigen, die vollkommen auf sich allein gestellt seien. »Wir hatten so viele Pläne. Familie. Kinder. Jetzt ist es hinter mir und vor mir ist alles schwarz«, schildert Maria traurig ihre Situation. Es sei einfach nicht zu begreifen. Mit einem Blick zeigt sie mir einen Tisch mit einer eher stillen Runde. »An diesem Tisch kommen alle aus Mariupol.« Maria möchte nicht weiter erzählen.

In der Hilfe gut vernetzt

Barry Sloan, Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche und Leiter von »Inspire«, war zum Zeitpunkt meines Besuchs an der polnisch-ukrainischen Grenze unterwegs. Neben seiner Tätigkeit für die EmK ist er auch für die britischen Methodisten unterwegs. Die Methodistische Kirche in Großbritannien unterstützt ein Flüchtlings- und Logistikzentrum im polnischen Przemsyl an der polnisch-ukrainischen Grenze, rund neunzig Kilometer östlich der ukrainischen Stadt Lwiw. Jeden Tag fahren Lastwagen mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Hilfsgütern in die Ukraine. Sloan besuchte auf seiner Reise einige methodistische Gemeinden, die Geflüchtete aufgenommen haben. Bis jetzt haben die britischen Methodisten umgerechnet rund 600.000 Euro für die Ukraine-Hilfe gespendet.

Gegensätze

Nach einem Gruppenfoto und herzlicher Verabschiedung verlasse ich das »Inspire«. Draußen stehe ich »auf dem Brühl«, einer eher ruhigen Fußgängerzone mitten in Chemnitz. Ein paar Kinder fahren Skateboard. In einem nahegelegenen Straßencafé sitzen junge Leute und genießen die Sonne. Ein paar Radfahrer sausen schnell an mir vorbei. Der Schein trügt. Es ist kein Frieden.

 

Weiterführende Links

Wie britische Methodisten helfen

Mehr erfahren (externer Link)

Zurück zur Liste Startseite