Diakonie wagen

Aus den Kriegstrümmern und dank großer Opferbereitschaft der Baptisten Schöneberg entstand 1947 das Hospital Feierabendheim - der Grundstein für die Immanuel Diakonie. Ein Grund zum Feiern und zu diskutieren, was Diakonie ausmacht.

Am 21. Dezember 1947 wurde mit dem Hospital Feierabendheim die erste diakonische Einrichtung der Baptistengemeinde Schöneberg in unmittelbarer Nachbarschaft an der Hauptstraße eröffnet. Die aus Kriegstrümmern entstandene Pflegeeinrichtung, die inzwischen Immanuel Seniorenzentrum Schöneberg heißt, war der Grundstein für die Immanuel Diakonie beziehungsweise den Berliner Teil der heutigen Immanuel Albertinen Diakonie. Auf den Tag 75 Jahre später, am 21. Dezember 2022, feierten Angehörige der Immanuel Albertinen Diakonie und der Baptisten Schöneberg mit Gästen und Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern das Jubiläum im Gemeindezentrum.

Unter dem Motto „Diakonie wagen!“ wurde einerseits auf die bewegende Entstehungsgeschichte des Hospitals Feierabendheim und das Wachstum hin zu einem großen diakonischen Konzern zurückgeblickt. Andererseits wurde darüber diskutiert, was Diakonie ausmacht und wie sie auch in Zukunft trotz Herausforderungen und Krisen bestehen und sogar wachsen kann. So lud Matthias Scheller, Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung der Immanuel Albertinen Diakonie, dazu ein, anlässlich des Jubiläums Ideen für eine neue diakonische Einrichtung im Umfeld der Gemeinde in Berlin-Schöneberg zu entwickeln. Der Akkordeonist Vladislav Urbansky führte musikalisch durch den Nachmittag.

Große Opferbereitschaft der Gemeindemitglieder ermöglichte den Bau

Jürgen Roß, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Immanuel Albertinen Diakonie und langjähriges Mitglied der Baptisten Schöneberg, erinnerte daran, wie die Gemeinde auf Initiative ihres Pastors Walter Hoffmann auf die Not in ihrem Umfeld reagierte und eine im wahrsten Sinne des Wortes gemeindenahe Diakonie schuf: „Den Bau finanzierten die Gemeindemitglieder mit dem, was ihnen kurz nach Krieg und Gewaltherrschaft geblieben war. Die Kirchengemeinde war damals klein, gerade zehn Jahre alt. Trotzdem wurde zusammengeworfen, was noch da war, damit dieses Werk entstehen kann.“ Sogar Schmuck und Uhren legten die Gemeindemitglieder in die Kollekte, um die Pflegeeinrichtung verwirklichen zu können. „Menschen aus der Gemeinde haben sich im Hospital Feierabendheim eingebracht – in der Pflege, in den Funktionsbereichen, in der Verwaltung, als Geschäftsführer, an der Pforte oder in der Küche. Oder wie ich als Student bei den Bauarbeiten. Jugendgruppen und der Chor haben regelmäßig gesungen“, berichtete Jürgen Roß. Die Gemeindeleitung bildete das Kuratorium der wachsenden Diakonie, die Gemeinde die Gesellschafterin. „Viele Menschen aus der Gemeinde haben im Hospital, das inzwischen das Seniorenzentrum ist, ihren letzten Lebensabschnitt zugebracht.“

Nur zwei Jahre nach dem Hospital Feierabendheim kam 1949 in der ehemaligen Siemensvilla in Wannsee das Immanuel Krankenhaus hinzu, zunächst als Kinder- und Jugendhospital für Polioerkrankte. 40 Jahre lang, bis zur deutschen Wiedervereinigung, habe es ein relativ kontinuierliches Leben der Immanuel Diakonie in West-Berlin gegeben. „Nach der Wende dann das starke Wachstum durch die Übernahme neuer Angebote, von Berlin und Brandenburg ausgehend bis nach Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Hessen“, so Jürgen Roß. „Das folgte damals keiner Strategie. Vieles ist aus Kontakten gewachsen, aus dem Dasein, wenn man gebraucht wurde.“ 2019 schließlich die Fusion mit dem Hamburger Albertinen Diakoniewerk zur Immanuel Albertinen Diakonie mit zurzeit fast 100 Einrichtungen und knapp 8.000 Mitarbeitenden.###3_IMAGES###Diakonie als Haltung

Ob im Kleinen oder im Großen, der diakonische Auftrag sei derselbe: sich um Menschen zu kümmern, die Hilfe brauchen.  Welche Haltung Diakonie ausmacht, diskutierten Dagmar Wegener, Pastorin der Baptisten Schöneberg, Herbert Blum, Geschäftsführer von Immanuel Miteinander Leben, eine Tochtergesellschaft der Immanuel Albertinen Diakonie, zu der auch das Immanuel Seniorenzentrum Schöneberg gehört, und Matthias Scheller. Ergänzt wurde der Trialog mit Video-Einspielern, in denen langjährige, teils ehemalige Mitarbeitende und Wegbegleitende über die Aufgabe von Diakonie nachdenken.

Alle waren sich einig, dass Diakonie heute nicht mehr die großen wirtschaftlichen Opfer einzelner brauche, wie noch zur Gründung, dafür aber immer noch Menschen, die für die Sache brennen, die sich mit ihrem ganzen Herzen einbringen und den Menschen mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellen. Das gelte sowohl für die anvertrauten Menschen als auch für die Mitarbeitenden. Aufgabe der Führungskräfte sei es, Menschen für Diakonie zu begeistern und Mitarbeitende an der Verantwortung zu beteiligen, sagte Herbert Blum. Dafür sei es wichtig, ihnen Gestaltungsräume zu geben, um gemeinsam Diakonie zu prägen zu können, so Dagmar Wegener. Matthias Scheller hob die gute und enge Zusammenarbeit in der Coronapandemie hervor: „Wir haben jeden Tag darum gerungen: Wie können wir diese Krise meistern? Diese Bereitschaft zusammenzustehen, hat mich sehr beeindruckt.“

Diakonie als Auftrag

Um den diakonischen Auftrag ging es auch in der zweiten Diskussionsrunde. Im Austausch waren Prof. Dr. Ralf Dziewas, Lehrstuhl für Diakoniewissenschaft und Sozialtheologie an der Theologischen Hochschule Elstal und im Aufsichtsrat der Immanuel Albertinen Diakonie, Dr. med. Frauke Ishorst, Leitung Fachbereich Ethik im Konzernbereich Seelsorge/Theologie/Ethik, Martina Kringe, Pflegdirektorin im Immanuel Krankenhaus Berlin und Sprecherin der Pflegefachkonferenz im Konzern, sowie Andreas Mende, Geschäftsführer Beratung + Leben und Mitglied im Aufsichtsrat des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung (EWDE). Die Moderation übernahm Pastor Christoph Stiba, Generalsekretär des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, zu dem die Baptisten Schöneberg gehören.

Ein besonders wichtiger Auftrag in Zeiten von Pandemie, Fachkräftemangel und Kostensteigerungen sei die Fürsorge für die Mitarbeitenden. „Wir müssen ganz intensiv darüber nachdenken: Wie stärken wir die Menschen, damit sie im diakonischen Gedanken auch weitermachen können?“, betonte Frauke Ishorst. Dafür sei es wichtig, in Beziehung zu gehen, zuzuhören und zu versprechen, an den Problemen zu arbeiten, auch wenn es keine Patentlösungen gebe. Martina Kringe bestätigte, dass es immer schwerer geworden sei, die Balance zwischen der eigenen Erschöpfung als Pflegekraft und den Bedürfnissen der Patientinnen und Patientinnen zu finden. Laut Andreas Mende seien auch die Beratungsstellen durch eine stark wachsende Nachfrage gefordert, immer mehr ratsuchenden Menschen zu helfen.

Fürsorge und Gestaltungsfreiräume für Mitarbeitende 

Ralf Dziewas betonte, gerade in der aktuellen Situation mache es ein diakonisches Unternehmen aus, dass Mitarbeitende es mit ihren Kompetenzen mitgestalten können. „Das macht einen Arbeitgeber auch attraktiv, wenn man nicht nur dazu da ist, um Finanzen zu generieren oder Dienste abzudecken, sondern wenn man diese Dienste auch gestalten kann, auf jeder Stufe der Hierarchie“, so der Theologe.

Für die nächsten 75 Jahre wünschten die Diskutierenden der Immanuel Albertinen Diakonie ein kontrolliertes Wachstum mit dem Blick auf Mitarbeitende und Gemeinnützigkeit, damit Menschen sich weiterhin für Diakonie begeistern und Menschen gut versorgen können. Dazu sei es wichtig, weiterhin den Mut der Gründerinnen und Gründer zu haben und im Gottvertrauen Dinge zu gestalten. Die angeregten Diskussionen boten genügend Gesprächsstoff für den anschließenden geselligen Empfang bei Waffeln und Punsch.

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